Vitamin B6 (Pyridoxin)
Vitamin B6 ist ein Derivat des Pyridins und kommt in drei unterschiedlichen Formen vor: Pyridoxin, Pyridoxamin und Pyridoxal. All diese Formen können im Körper ineinander umgewandelt werden und sind somit als gleichwertig zu betrachten. Da Pyridoxin die häufigste Variante ist, wird es als Synonym für Vitamin B6 verwendet. Vitamin B6 gehört zu den wasserlöslichen Vitaminen und kann nur in äußerst geringen Mengen im Körper gespeichert werden. Für eine optimale Versorgung ist also eine stetige Aufnahme nötig.
Wie auch die anderen B-Vitamine wird Vitamin B6 im Darm durch aktiven Transport in die Zellen der Darmschleimhaut aufgenommen. Bei sehr hohen Konzentrationen in der Nahrung kann es dem Konzentrationsgradienten folgend auch in die Schleimhaut diffundieren. Nach der Aufnahme erfolgt die Umwandlung in die biologisch aktiven Coenzyme Pyridoxal-5-phosphat (PLP) und Pyridoxamin-5-phosphat (PMP), die an über 100 enzymatischen Reaktionen im Körper beteiligt sind.
Wofür brauchen wir Vitamin B6?
Die Einsatzgebiete der auf Vitamin B6 basierenden Coenzyme PLP und PMP im menschlichen Stoffwechsel sind vielseitig. So ist eine ganze Reihe von Funktionen abhängig von einer ausreichenden Versorgung mit diesem Vitamin. Größtenteils stehen sie in einem Zusammenhang mit Aminosäuren. Die wichtigsten Bereiche, die auf Vitamin B6 angewiesen sind, sind die Folgenden:
Energieversorgung
Die beiden Coenzyme spielen eine wichtige Rolle im Kohlenhydrat- und Energiestoffwechsel. Sie unterstützen den Abbau von Glykogen. Dabei handelt es sich um gespeicherten Zucker, der hauptsächlich in Leber- und Muskelzellen eingelagert ist. Bei akutem Energiebedarf werden diese Speicher geleert und Glykogen zu Glukose, der Hauptenergiequelle des Körpers, gespalten. Somit ist Vitamin B6 von großer Wichtigkeit für die Bereitstellung von gespeicherter Energie.
Synthese von Neurotransmittern
Die Reizweiterleitung im Nervensystem funktioniert über bestimmte Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter. Je nach Funktion und Wirkort gibt es unterschiedliche. Ein Großteil von ihnen wird in Abhängigkeit von Vitamin B6 hergestellt. Hierzu gehören Dopamin, Serotonin, Noradrenalin, GABA und Glutamat. Durch die Notwendigkeit von Vitamin B6 für die Bereitstellung dieser Substanzen leistet es einen wichtigen Beitrag zum biochemischen Gleichgewicht im Gehirn und zu einer gesunden Funktionsweise des Nervensystems.
Synthese vonStrukturmolekülen
Unser Körper benötigt eine ganze Reihe unterschiedlicher Proteine und Fette für den Aufbau von Zellen und Geweben. Vitamin B6 ist an der Bildung einiger dieser Substanzen essentiell beteiligt. Hierzu gehört zum Beispiel das Kollagen, ein wichtiges Strukturprotein im Bindegewebe oder Sphingolipide, die ein grundlegender Baustein für Zellmembranen sind.
Abbau von Homocystein
Homocystein ist eine Aminosäure, die als Zwischenprodukt im Stoffwechsel natürlicherweise vorkommt. Bei einer zu hohen Konzentration kann es allerdings Schädigungen der Blutgefäße herbeiführen und so das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Auch unterschiedliche Augenerkrankungen und Demenz stehen scheinbar in Zusammenhang mit einem erhöhten Homocystein-Spiegel. Der Abbau von Homocystein ist abhängig von Vitamin B6. Zusätzlich kann Homocystein über einen Vitamin-B12– und Folsäure-abhängigen Schritt in Methionin umgewandelt werden. Alle drei Vitamine werden therapeutisch eingesetzt, um einen erhöhten Homocystein-Spiegel zu senken.
Interaktion mit Steroidhormonen
Neben seiner Eigenschaft als Coenzym kann PLP an Rezeptoren für unterschiedliche Steroidhormone binden und ihn so zeitweilig blockieren. Steroidhormone wie Östrogene oder Cortisol entfalten ihre Wirkung, indem sie an Rezeptoren binden und dadurch eine Reaktionskaskade auslösen, an dessen Ende bestimmte Gene abgelesen und die entsprechenden Proteine gebildet werden. Eine geringe Konzentration an PLP steigert also die hormonelle Wirkung, während eine hohe sie reduziert.
Wo ist Vitamin B6 enthalten?
Vitamin B6 ist in einer Vielzahl von Lebensmitteln in ausreichender Menge vertreten. Fisch und Fleisch enthalten zwar etwas mehr Vitamin B6 als die meisten pflanzlichen Nahrungsmittel, jedoch brauchen auch Veganer keine Unterversorgung zu fürchten, wenn sie ausreichend Hülsenfrüchte und Getreide zu sich nehmen. Auch Blattgemüse und Obst enthält in etwas geringeren Mengen Vitamin B6.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für gesunde Erwachsene eine tägliche Aufnahme zwischen 1,4 und 1,6 mg Vitamin B6. Während der Schwangerschaft und der Stillzeit liegt der Bedarf mit bis zu 1,8 mg etwas höher. Da Vitamin B6 auch eine wichtige Rolle für den Abbau von Eiweißen spielt, ist es ratsam, bei einer proteinreichen Ernährung auch die Vitamin-B6-Versorgung etwas hochzuregulieren. Eine proteinreiche Ernährungsweise ist nicht nur für Sportler geeignet. Grundsätzlich sollten ältere Menschen (60+) ihre Proteinzufuhr erhöhen. Auf diese Weise wirken sie einem altersbedingten Muskelabbau entgegen und bleiben länger körperlich fit. Vitamin B6 kann diesen Prozess durch eine bessere Verwertung der aufgenommenen Proteine unterstützen.
Zehn gute Vitamin B6 Quellen sind:
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Lachs -
Sardinen -
Sojabohnen -
Rinderfilet -
Schnitzel -
Linsen -
Kichererbsen -
Walnüsse -
Weizenkeime -
Kartoffeln
Was passiert bei einem Mangel Vitamin B6?
Da Vitamin B6 in sehr vielen Nahrungsmitteln vorkommt, ist ein schwerer Mangel in Deutschland eher selten. In der Nationalen Verzehrsstudie von 2008 wurde festgestellt, dass hierzulande die durchschnittliche Aufnahme von Vitamin B6 eher über der empfohlenen Tagesmenge liegt. Dennoch erreichen bei dieser Studie 12 Prozent der Männer und 13 Prozent der Frauen diese Menge nicht. Ein Mangel an Vitamin B6 äußert sich in folgenden Symptomen:
- Entzündungen am und im Mund
- Verwirrtheit
- Reizbarkeit
- Kribbeln oder Taubheitsgefühl in den Gliedmaßen
- Depression
- Erhöhter Homocysteinspiegel
Sollte ein Vitamin B6 Mangel sehr ausgeprägt sein, kann es außerdem zu schweren Hautentzündungen, Anämie und ausgeprägten neurologischen Störungen (z.B. epileptische Krampfanfälle) kommen. Ein so schwerer Mangel ist allerdings hierzulande absolut selten.
Neben einer Mangelernährung sind es oftmals chronische Erkrankungen, die zu einer Unterversorgung mit Vitamin B6 führen. Eine reduzierte Konzentration von PLP wurde unabhängig von der Ernährung bei Patienten mit Asthma, Diabetes oder Herzerkrankungen gefunden. Auch unterschiedliche Medikamente oder Darmerkrankungen können dafür sorgen, dass nicht genügend Vitamin B6 in die Zellen der Darmschleimhaut aufgenommen werden können.
Was passiert bei einer Überversorgung mit Vitamin B6?
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat die sichere Tageshöchstmenge für Vitamin B6 auf 25 mg festgelegt. Diese Menge könnte ohne Risiko ein Leben lang eingenommen werden, was bei einer normalen Ernährung im Grunde nicht zu erreichen ist. In sehr großen Mengen von mehr als 500 bis 5000 mg täglich über einen längeren Zeitraum führt Vitamin B6 zu Störungen des Nervensystems.
Wann ist eine Substitution von Vitamin B6 ratsam?
Ein gesunder Mensch kann seinen täglichen Bedarf an Vitamin B6 in der Regel problemlos über die Ernährung decken. Bei Mangelernährung, Alkoholmissbrauch, Schwangerschaft oder den oben genannten Krankheiten kann eine Substitution einem (potenziellen) Mangel entgegenwirken.
Vitamin-B6-Präparate werden häufig damit beworben, sich positiv auf die Psyche auszuwirken, insbesondere während der Wechseljahre. Diese Wirkung kann es allerdings nur erfüllen, wenn zumindest ein minimaler Mangel vorliegt, der mit dem Präparat ausgeglichen wird. Über die Bedarfsdeckung hinaus hat Vitamin B6 keinen positiven Effekt auf die Psyche. Auch der oftmals postulierte positive Effekt von Vitamin B6 auf die Herzgesundheit beruht auf einem Ausgleich des Homocystein-Spiegels. Ist dieser bereits auf einem gesunden Level, hat Vitamin B6 keinen weiteren positiven Effekt darüber hinaus.
Welche Wechselwirkungen gibt es mit anderen Vitalstoffen?
Wichtige Interaktionen von Vitamin B6 liegen in erster Linie im Zusammenspiel mit anderen B-Vitaminen.
Für eine optimale Verstoffwechselung von Vitamin B6 ist eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B1 notwendig. Liegt ein Mangel an B1 vor, tritt somit in der Folge auch eine Unterversorgungen mit Vitamin B6 auf. Im Nervensystem wirken B1 und B6 synergistisch. Wegen der engen Assoziation treten tatsächliche Mängel einzelner B-Vitamine eher selten auf.
Vitamin B12 und Folsäure
Die Dreierkombination aus den Vitaminen B6, B12 und Folsäure reduziert gemeinsam den Homocystein-Spiegel und wirkt auf dieser Basis positiv auf das Herz-Kreislauf-System und die Gesundheit der Augen. Auch viele Alterserscheinungen können mit dieser Kombination nach diesem Wirkprinzip abgemildert werden, sofern die Ursache im Homocystein begründet liegt.
Fazit
Vitamin B6 ist für eine ganze Reihe unterschiedlicher Vorgänge im Körper von essentieller Bedeutung. Obwohl es in vielen Lebensmitteln vorkommt und von den meisten Menschen auch in ausreichender Menge aufgenommen wird, können neben einer Mangelernährung auch unterschiedliche Erkrankungen zu einer Unterversorgung führen. Eine Substitution ist in der Regel unbedenklich und kann zu einer gesunden Körperfunktion beitragen.
Autor
Dr. rer. nat. Annika Mix
Annika Mix ist promovierte Biologin und Wissenschaftsjournalistin. Nach ihrem Studium an der Ruhr Universität Bochum arbeitete sie einige Jahre in der medizinischen Grundlagenforschung. Mit einer anschließenden journalistischen Weiterbildung erfüllte sich den Wunsch, auf freiberuflicher Basis Wissen aus dem Bereich von Gesundheit und Forschung alltagsnah zu vermitteln.
http://www.anysci.de/
Quellen
Max Rubner-Institut & Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (2008) Nationale Verzehrsstudie II – Ergebnisbericht https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/NVS_ErgebnisberichtTeil2.pdf;jsessionid=DB58C395EEF2FE27EB57BCC40BD33A0B.internet2842?__blob=publicationFile&v=2
Nix WA, Zirwes R, Bangert V, Kaiser RP, Schilling M, Hostalek U, Obeid R (2014) Vitamin B status in patients with type 2 diabetes mellitus with and without incipient nephropathy. Diabetes Res Clin Pract. 2015 Jan;107(1):157-65. doi: 10.1016/j.diabres.2014.09.058.
Scientific Committee on Food (SCF) and Scientific Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA) of EFSA, Tolerable Upper Intake Levels for Vitamins and Minerals, European Food Safety Authority 2006, ISBN: 92-9199-014-0