Unter dem Begriff Antioxidantien lässt sich eine Vielzahl an Substanzen zusammenfassen, die eine chemische Gemeinsamkeit besitzen: Sie verhindern die Oxidation von anderen Substanzen, indem sie freie Radikale unschädlich machen. Freie Radikale sind sehr instabile Sauerstoffverbindungen, die Elektronen von anderen Substanzen stehlen, um ihre Stabilität zurückzuerhalten. Diese Substanzen oxidieren. Dadurch wird häufig eine Kettenreaktion ausgelöst, bei der durch unkontrollierte Übertragung von Elektronen Schäden entstehen. Tritt dieser Zustand im Körper auf, so spricht der Mediziner von oxidativem Stress. Oxidativer Stress ist ein wesentlicher Faktor für den Alterungsprozess und steht in Zusammenhang mit der Entstehung zahlreicher Krankheiten. Im Körper erfüllen Antioxidantien somit eine wichtige Schutzfunktion.
Als wichtige Funktionsträger für den Körper können grundsätzlich zwei unterschiedliche Formen von Antioxidantien unterschieden werden. Natürliche endogene Antioxidantien werden vom Körper selbst hergestellt. Als wichtigstes dieser Gruppe sei an dieser Stelle Glutathion genannt. Für die Synthese endogener Antioxidantien ist eine ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen von größter Wichtigkeit. Diese körpereigenen Antioxidantien reichen jedoch nicht aus, um die freien Radikale ausreichend in Schach zu halten. Aus diesem Grunde müssen weitere antioxidativ wirksame Substanzen mit der Nahrung aufgenommen werden. Hier sind insbesondere sekundäre Pflanzenstoffe von Bedeutung. Aber auch einige Mikronährstoffe selbst wirken als Antioxidans, zum Beispiel die Vitamine C und E oder Selen und Zink. Diese natürlichen exogenen Antioxidantien werden über den Darm in den Körper aufgenommen und spezifisch weitergeleitet und verstoffwechselt.
Wofür brauchen wir Antioxidantien?
Wie bereits erläutert, ist es die Aufgabe der Antioxidantien, freie Radikale unschädlich zu machen und die Zellen und den Körper so vor Schäden zu bewahren. Das soll an dieser Stelle noch einmal genauer erläutert werden.
Wo kommen freie Radikale her?
Freie Radikale sind aufgrund ihrer Instabilität sehr kurzlebig und existieren in der Regel für weniger als eine Sekunde. Sie entstehen also direkt im Körper und wirken dann in ihrer unmittelbaren Umgebung. Genau genommen handelt es sich zumeist um sogenannte reaktive Sauerstoffspezies (reactive oxygen species, ROS) oder seltener reaktive Stickstoffspezies (reactive nitrogen species, RNS), die zu jedem Zeitpunkt überall im Körper entstehen können.
Dabei spielen folgende vier Wege eine Rolle:
- Die Mitochondrien jeder Zelle benötigen den eingeatmeten Sauerstoff für die Erzeugung von Energie. Dabei wird ein kleiner Teil des Sauerstoffs fehlgeleitet, sodass quasi aus Versehen ROS entstehen.
- Im Zuge zahlreicher biochemischer Prozesse innerhalb und außerhalb der Zellen, bei denen Elektronen übertragen werden, kommt es zur unvermeidbaren Entstehung von freien Radikalen. Es handelt sich somit um natürliche Nebenprodukte des gesundes Stoffwechsels.
- Bei Entzündungsprozessen produzieren unterschiedliche Zellen des Immunsystems gezielt freie Radikale, um dessen Aggressivität gegen mögliche Krankheitserreger und auffällige Zellen einzusetzen.
- Eine Reihe unterschiedlicher Umweltfaktoren kann von außen die Bildung freier Radikale begünstigen. Mediziner sprechen hierbei von sogenannten „exogenen Noxen“. Hierzu gehören natürliche Faktoren wie Hitze und UV-Strahlung, aber auch Umweltgifte wie Luftverschmutzung durch Stickstoffoxide oder Feinstaub, einige Medikamente und Industriechemikalien. Sie alle bewirken, das Moleküle im Körper unplanmäßig zerstört werden und dabei freie Radikale entstehen.
Was machen freie Radikale?
Freie Radikale sind hochreaktiv. Das bedeutet, dass sie mit der erstbesten Substanz reagieren, auf die sie treffen. Dieser stehlen sie Elektronen, um ihre eigene Stabilität wieder herzustellen. Dabei kann es passieren, dass erneut freie Radikale entstehen und eine Kettenreaktion in Gange gesetzt wird. In der Folge können alle möglichen Moleküle in der Umgebung Schaden nehmen und als Konsequenz ihre biologische Funktion nicht mehr erfüllen. Ein großer Teil der freien Radikale entsteht in den Mitochondrien der Zellen. Hier sammeln sich im Laufe des Lebens stetig mehr Schädigungen an, sodass die Produktion von Energie immer schleppender läuft. Weniger Energie verlangsamt den gesamten Stoffwechsel und führt nach und nach zu einem Leistungsabfall der Organe. Dieser Prozess ist nach Meinung der Wissenschaft wesentlich für den Alterungsprozess und den damit einhergehenden Begleiterscheinungen verantwortlich. Hier wird deutlich, dass ein Mindestmaß an Belastung durch freie Radikale nicht nur unvermeidlich ist, sondern scheinbar zum Leben dazugehört. Tatsächlich benötigt der Körper freie Radikale, insbesondere für sein Immunsystem. Doch wenn es zu viele werden, entsteht sogenannter oxidativer Stress.
Was passiert bei oxidativem Stress?
Oxidativer Stress liegt dann vor, wenn im Stoffwechsel zu viele freie Radikale entstehen und nicht mehr kontrolliert werden können. Dabei werden Fette, Proteine und sogar DNA durch Oxidation zerstört und es kommt zu einem Funktionsverlust, Entzündungen oder Zellsterben. Da sich diese Prozesse auf einem sehr kleinen Raum abspielen, sind die Folgen oft erst nach Jahren zu sehen, wenn sich Folgeerkrankungen zeigen. Eine Vielzahl an Krankheiten stehen scheinbar in einem Zusammenhang mit einer anhaltend erhöhten Stressbelastung durch freie Radikale. Hierzu gehören unter anderem neurodegenerative Erkrankungen (z. B.Parkinson oder Alzheimer), Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen (z. B. Arteriosklerose) und einige Tumore. Im Zuge dieser Erkrankungen entstehen wiederum Entzündungsherde, die ihrerseits den oxidativen Stress erhöhen und es kommt zu einem Teufelskreis.
Wie können Antioxidantien oxidativen Stress vermeiden?
Eine wichtige Aufgabe des Körpers besteht darin, die freien Radikale in Schach zu halten, damit sie auf einem niedrigen Niveau bleiben und es nicht zu oxidativem Stress kommt. Diese Funktion erfüllen Antioxidantien. Teilweise stellt der Körper sie selbst her. So sichert zum Beispiel das körpereigene Glutathion quasi ein Mindestmaß an antioxidativem Schutz. Gerade bei akuter oder drohender Belastung ist aber eine zusätzliche Versorgung von Außen notwendig, um oxidativen Stress mit all seinen Folgen sicher zu vermeiden.
Antioxidantien geben bereitwillig Elektronen an freie Radikale ab, sodass diese stabilisiert werden und dadurch ungefährlich sind. Die nun oxidierten Antioxidantien sind selbst stabil, sodass keine Kettenreaktion entsteht. Mithilfe von Synergisten können Antioxidantien wieder aktiviert werden, damit sie erneut ein freies Radikal abfangen können.
Wo im Körper befinden sich Antioxidantien?
Um ihre Schutzfunktion im Körper effektiv entfalten zu können, bedarf es vieler Antioxidantien, denn sie müssen in räumlicher Nähe überall dort sein, wo freie Radikale entstehen. Daher bildet die Gesamtheit aller im Körper befindlichen Antioxidantien ein funktionelles Netzwerk, bei dem jeder Teilnehmer seinen Bereich „sauber hält“. Im Blut zirkulierende Antioxidantien schützen zum Beispiel die hier transportierten Fette. Eine Oxidation des „schlechten Cholesterins“ LDL (low density lipoprotein) führt dazu, dass es sich an der Gefäßwand ablagert, insbesondere in den Herzkranzgefäßen. Auf diese Weise entsteht Atherosklerose. Mit fortschreitender Erkrankung steigert sich das Risiko für einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt massiv. Im Gehirn schützen Antioxidantien die empfindlichen Nervenzellen und verhindern folgenschwere neuronale Entzündungen. In der Haut befinden sich reichlich Antioxidantien, denn allein durch die Sonneneinstrahlung entsteht hier schnell eine Belastung. Hier sichern Antioxidantien nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Optik der Haut. Da Schadstoffe auch über die Atmung oder die Ernährung in den Körper gelangen können, ist auch im Epithel der Lunge und des Darms die Konzentration an Antioxidantien besonders hoch.
Wo sind Antioxidantien enthalten?
Neben den bereits erwähnten Vitaminen und Mineralstoffen sind es insbesondere sekundäre Pflanzenstoffe, die eine antioxidative Wirkung besitzen. Die wichtigsten Vertreter sind hier vor allen Dingen die Pflanzenfarbstoffe (z. B. Flavonoide, Carotinoide, Anthocyane). Aus diesem Grunde lässt sich die vereinfachte Regel aufstellen, dass Obst und Gemüse besonders reich an Antioxidantien ist, wenn es intensiv gefärbt ist. Grundsätzlich kommen Antioxidantien aber in sämtlichen pflanzlichen Lebensmitteln vor.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) legt sich aufgrund mangelnder Datenlage auf keine empfohlene Tagesmenge an sekundären Pflanzenstoffen fest. Jedoch betont sie den präventiven Effekt auf die Gesundheit bei vermehrtem Verzehr pflanzlicher Lebensmittel und führt diesen auf die sekundären Pflanzenstoffe zurück.
Zehn gute Quellen für Antioxidantien sind:
- Weintrauben
- Brombeeren
- Himbeeren
- Erdbeeren
- rote Paprika
- Orangen
- Karotten
- Spinat
- Brokkoli
- Tomaten
Was passiert bei einem Mangel an Antioxidantien?
Wenn zu wenige Antioxidantien im Körper vorliegen, kommt es schneller zu oxidativem Stress, da die Schutzfunktion nicht mehr vollständig gegeben ist. Insbesondere bei Stress, Leistungsdruck, Krankheit oder vermehrter Belastung durch Umweltgifte (auch Zigarettenrauch) kann der Körper mit den entstehenden freien Radikalen nicht mehr umgehen und die Kettenreaktionen laufen aus dem Ruder. Erste Anzeichen von oxidativem Stress kann eine scheinbar unnatürlich beschleunigte Alterung sein: Die Haut wird dünn und faltig, das Bindegewebe fällt ein, die Haare ergrauen. Auch Müdigkeit, Konzentrationsschwäche oder ein allgemeiner Leistungsabfall können Hinweise auf oxidativen Stress sein. Die schwerwiegenden Folgen werden erst nach vielen Jahren sichtbar, wenn sich zum Beispiel Krankheiten entwickelt haben, deren Ursprung mit oxidativem Stress assoziiert ist (z. B. Arteriosklerose oder Alzheimer).
Was passiert bei einer Überversorgung mit Anioxidantien?
Selbst bei einer Ernährung, die reich an natürlichen Antioxidantien ist, ist es bei einem gesunden Menschen nicht möglich, über Lebensmittel zu viele davon aufzunehmen. Dies sieht allerdings anders aus, wenn hochdosierte Antioxidantien supplementiert werden und so in unnatürlich hoher Konzentration im Körper vorliegen. Denn freie Radikale sind nicht ausnahmslos schlecht. Unser Körper benötigt sie in einer bestimmten Menge und sie spielen eine wichtige Rolle für das Immunsystem.
Jüngere Studien deuten darauf hin, dass bei sehr großen Mengen an Antioxidantien die Entwicklung einiger Tumorarten sowie deren Metastasierung begünstigt werden könnte. Dies könnte mitunter daran liegen, dass das Immunsystem aufkommende Krebszellen nicht mehr ausreichend bekämpfen kann. Das Deutsche Krebsforschungszentrum rät daher zur Vorsicht und empfiehlt Krebspatienten, auf eine hochdosierte Supplementierung von Antioxidantien zu verzichten. Die Verbraucherzentrale weist aus ebendiesem Grunde darauf hin, eine (anhaltende) Supplementierung grundsätzlich mit dem behandelnden Arzt zu besprechen und sich dringend an die jeweils vorgeschriebenen Höchstmengen zu halten.
Wann ist eine Substitution von Antioxidantien ratsam?
Besonders in Lebensphasen, die durch eine hohe psychische und physische Belastung gekennzeichnet sind, kann es ratsam sein, den oxidativen Stress im Körper durch eine Extraportion Antioxidantien zu reduzieren. Im Alter können Antioxidantien außerdem den Geist fit halten. Dabei wird es in den meisten Fällen genügen, die Ernährungsgewohnheiten etwas zu ändern. In einer norwegischen Studie aus dem Jahr 2009 fanden Forscher heraus, dass die kognitiven Leistungen von älteren Menschen (über 70) mit ihrem Verzehr von flavonoidhaltigen Lebensmitteln korreliert. Im Detail ging es um Wein, Schokolade und grünen Tee. Hier galt, jedenfalls bis zu einem jeweiligen Höchstwert: Je mehr die Probanden täglich von diesen Nahrungsmitteln zu sich nahmen, desto besser schnitten sie in Gedächtnisübungen ab.
Eine Einnahme über Nahrungsergänzungsmittel kann dann sinnvoll sein, wenn aus unterschiedlichen Gründen die Nahrungsaufnahme eingeschränkt ist und/oder eine akute Belastungssituation sehr schwerwiegend ist. So wurde eine Zeit lang Patienten, die eine Chemotherapie bekamen, zu eine Supplementierung von Antioxidantien geraten, um die Nebenwirkungen der Bestrahlung zu reduzieren. Heute geht die Empfehlung allerdings in eine andere Richtung. Eine aktuelle Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2021 gibt Hinweise darauf, dass hochdosierte Antioxidantien dem Erfolg der Chemotherapie entgegenwirken. So werden nicht nur die Nebenwirkung der Therapie bekämpft, sondern auch die Wirkung. Die Folge ist eine geringere Heilungschance oder die erhöhte Gefahr, dass der Krebs nach einiger Zeit zurückkommt. Dieses Thema ist allerdings sehr komplex und hängt von vielen Faktoren ab. Pauschale Aussagen sind daher schwer möglich, dennoch sei an dieser Stele Vorsicht geboten. Gegebenenfalls sollte eine Rücksprache mit dem behandelnden Onkologen getroffen werden.
Welche Wechselwirkungen gibt es mit anderen Vitalstoffen?
Antioxidantien erfüllen zwar funktionell dieselbe Aufgabe, doch sind sie chemisch sehr unterschiedlich. Eine allgemeingültige Wechselwirkung lässt sich daher an dieser Stelle nicht ausmachen. Es sei allerdings angemerkt, dass neben den Vitalstoffen, die selbst antioxidativ wirken wie z. B. Vitamin C und E auch die Versorgungslage der übrigen Vitalstoffe gut sein sollte. Nur dann können alle Mitspieler des antioxidativen Netzwerkes richtig funktionieren.
Fazit
Antioxidantien erfüllen eine wesentliche Aufgabe beim Schutz des Körpers vor freien Radikalen. Einige Antioxidantien produziert der Körper selbst, viele muss er jedoch mit der Nahrung aufnehmen. Hier sind besonders die Vitamine C und E, Zink, Selen und bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe, insbesondere Farbstoffe, von Bedeutung. Sie alle bilden im Körper ein antioxidatives Netzwerk, um freie Radikale überall schnell unschädlich machen zu können. Gelingt dies nicht, so entsteht oxidativer Stress, der mit einer Vielzahl an Folgeerkrankungen assoziiert ist. Bei der Supplementierung mit Antioxidantien ist allerdings Vorsicht geboten, denn zu viele von ihnen können wiederum Schäden verursachen. Hier sind unbedingt Höchstmengen zu beachten. Gegebenenfalls sollte eine Rücksprache mit dem Arzt erfolgen. Eine ausreichende Versorgung mit Antioxidantien kann bei einem gesunden Menschen problemlos über die Zufuhr von Beeren und frischem Obst und Gemüse die erreicht werden.
Autor
Dr. rer. nat. Annika Mix
Annika Mix ist promovierte Biologin und Wissenschaftsjournalistin. Nach ihrem Studium an der Ruhr Universität Bochum arbeitete sie einige Jahre in der medizinischen Grundlagenforschung. Mit einer anschließenden journalistischen Weiterbildung erfüllte sich den Wunsch, auf freiberuflicher Basis Wissen aus dem Bereich von Gesundheit und Forschung alltagsnah zu vermitteln. http://www.anysci.de/
Quellen
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2012): Sekundäre Pflanzenstoffe und ihre Wirkung auf die Gesundheit
Deutsches Krebsforschungszentrum (2020): Recherche des Monats: Antioxidantien und malignes Melanom
https://www.krebsinformationsdienst.de/fachkreise/nachrichten/2020/fk09-antioxidantien-beim-melanom.php
Verbraucherzentrale (2020): Antioxidantien: Helfer gegen freie Radikale
Wieland, LS et al. (2021): Risks and benefits of antioxidant dietary supplement use during cancer treatment: protocol for a scoping review. BMJ Open. 2021; 11(4): e047200.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8051392/
Nurk, E et al. (2009) Intake of flavonoid-rich wine, tea, and chocolate by elderly men and women is associated with better cognitive test performance. J Nutr. 2009 Jan;139(1):120-7.