Vitamin B1 (Thiamin)
Vitamin B1, auch Thiamin genannt, ist ein wasserlösliches Vitamin und kann als solches nur in minimalen Mengen im Körper gespeichert werden. Aus diesem Grunde muss es regelmäßig mit der Nahrung aufgenommen werden. Im Darm gelangt Vitamin B1 in die Mukosa, die Darmschleimhaut. Diese Aufnahme erfolgt im Normalfall durch Transportproteine, die das Thiamin aus dem Speisebrei binden und in die Schleimhaut schleusen. Lediglich bei sehr großen Vitaminmengen kann es dem Konzentrationsgradienten folgend durch Diffusion allein aufgenommen werden.
In der Mukosa und zum Teil auch in der Leber wird Vitamin B1 in seine aktive Form, das Thiaminpyrophosphat (TPP) umgewandelt. Ein Synonym, das oftmals verwendet wird, ist Thiamindiphospaht (TDP). Es handelt sich um die gleiche Verbindung. In dieser aktiven Form gelangt Vitamin B1 in den Blutkreislauf, wo es zu den Zellen transportiert wird, die es brauchen. Dort agiert es in erster Linie als Coenzym für unterschiedliche Stoffwechselprozesse.
Wofür brauchen wir Vitamin B1?
Vitamin B1 ist essentiell für eine gesunde Energieversorgung des Körpers. Als Coenzym greift es vor allen Dingen in den Abbau von Kohlenhydraten, also in den Zuckerstoffwechsel ein und hat somit eine wichtige Funktion bei der Versorgung des gesamten Organismus. Besonders der Herzmuskel und das Gehirn sind auf eine stete Energieversorgung angewiesen, weswegen Vitamin B1 vor allen Dingen für die gesunde Funktion dieser beiden Organe verantwortlich ist.
Zusätzlich spielt Vitamin B1 eine wichtige Rolle bei der Reizweiterleitung im Nervensystem und der Muskulatur. Sowohl Muskel- als auch Nervenzellen enthalten vergleichsweise große Mengen TPP. Diese Zelltypen arbeiten mit elektrischen Signalen, die blitzschnell weitergeleitet werden müssen. Durch die Anwesenheit von TPP wird hier eine gesunde Funktion sichergestellt.
In diesem Bereich ist noch viel Forschungsbedarf. Zahlreiche Forschungsgruppen weltweit befassen sich aktuell mit der Funktion von Vitamin B1 für das zentrale und periphere Nervensystem.
Wo ist Vitamin B1 enthalten?
Vitamin B1 kommt sowohl in pflanzlichen als auch in tierischen Nahrungsmitteln vor und ist tatsächlich in sehr vielen Lebensmitteln zu finden. Es befindet sich in größeren Mengen in Muskelfleisch, insbesondere vom Schwein, in Vollkornprodukten und in Hülsenfrüchten. Aber auch Fisch, Obst und Blattgemüse enthalten geringe Mengen an Vitamin B1. Getreide enthält Vitamin B1 vollständig in der Samenhülle. Aus diesem Grunde enthalten Vollkornlebensmittel vergleichsweise viel Vitamin B1, geschälter Reis oder Weizenmehl und die entsprechenden Produkte aber fast gar keins.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Erwachsenen eine Tagesmenge zwischen 1,0 mg (Frauen) und 1,1 – 1,3 mg (Männer). Bei Schwangeren und Stillenden liegt die empfohlene Tagesmenge bei 1,2 – 1,3 mg. Im Normalfall werden diese Mengen über die Ernährung ausreichend abgedeckt, auch wenn aufgrund seiner Hitzeempfindlichkeit und Wasserlöslichkeit Vitamin B1 bei der Zubereitung verloren gehen kann.
Zehn gute Vitamin B1 Quellen sind:
- Sonnenblumenkerne
- Schweinefilet
- Vollkorn
- Sojabohnen
- Weizenkeime
- Haferfocken
- Rinderfilet
- Erbsen
- Bohnen
- Linsen
Was passiert bei einem Mangel Vitamin B1?
Eine Unterversorgung mit Vitamin B1 kann bei einer mangelhaften Ernährung auftreten, was in den Industriestaaten allerdings nur selten vorkommt. Hier entsteht ein Mangel meist im Zuge diverser Erkrankungen oder Stoffwechselstörungen. So führt hierzulande vor allen Dingen chronischer Alkoholmissbrauch, Darmerkrankungen oder eine Schilddrüsenüberfunktion zu einem Mangel an Vitamin B1. In diesen Fällen spricht der Mediziner von einer Malabsorption. Das Vitamin wird zwar mit der Nahrung aufgenommen, kann aber nicht ausreichend daraus resorbiert werden.
Auch während der Schwangerschaft oder im Zuge akuter Darminfekte kann eine zeitweilige Unterversorgung mit Vitamin B1 auftreten.
Erste Symptome eines Vitamin B1 Mangels sind eher unspezifisch:
- Müdigkeit
- Antriebslosigkeit
- Konzentrationsschwäche
- Fahrigkeit
- niedriger Blutdruck
- insgesamt weniger Leistungsfähigkeit
- Kopfschmerzen
- Appetitlosigkeit
Bleibt die Versorgung weiterhin zu niedrig werden die Folgen gravierend und führen unbehandelt zum Tode:
- Gewichtsverlust
- Herzinsuffizienz
- Muskelschwäche
- Koordinationsstörungen
- Entzündungen des Nervensystems
- mentale Veränderungen bis zur Psychose
- Sehstörungen
- Lähmungserscheinungen
- Wassereinlagerungen
Die Symptome eines schwerwiegenden Mangels von Vitamin B1 werden je nach Ausprägung zu der Beriberi-Krankheit oder der Wernicke-Enzephalopathie zusammengefasst
Was passiert bei einer Überversorgung mit Vitamin B1?
Bei einer Verabreichung über den Darm kann Vitamin B1 um Grunde nicht überdosiert werden. Wenn im Nahrungsbrei eine hohe Thiamin-Konzentrationen vorliegt, gelangt es über Transportproteine und nun auch durch Diffusion in die Mukosa des Darms. Eine Diffusion kann allerdings nur erfolgen, solange ein Konzentrationsgradient besteht. Somit wird etwa die Hälfte des überschüssigen Thiamins gar nicht erst aufgenommen, sondern direkt über den Darm wieder ausgeschieden. Auch im Blut zirkuliert TPP oder selten auch Thiamin selbst nicht lange in großen Mengen, sondern wird über den Urin ausgeschieden, wenn es nicht benötigt wird.
Wann ist eine Substitution von Vitamin B1 ratsam?
Ein gesunder Mensch, der sich ausgewogen ernährt, ist in der Regel ausreichend mit Thiamin versorgt. Sollte der Verdacht auf eine Unterversorgung bestehen, zum Beispiel durch eine einseitige Ernährung oder einer Darm- oder Stoffwechselerkrankung, kann Vitamin B1 unproblematisch zusätzlich eingenommen werden. Eine mögliche Malabsorption wird dadurch ausgeglichen, dass die Aufnahme aus dem Darm bei hohen Konzentrationen über Diffusion erfolgt. Auf diese Weise wird der Körper in jedem Fall ausreichend mit Vitamin B1 versorgt. Bei Unsicherheit kann der Hausarzt eine Untersuchung des Thiamin- bzw. des TPP-Spiegels im Blut durchführen lassen.
Frauen in der Schwangerschaft und Stillzeit haben einen erhöhten Bedarf an Vitamin B1. Insbesondere, wenn Schwangere an starker Übelkeit und Erbrechen leiden, ist es ratsam, Thiamin zuzuführen. Dies gilt ebenso für Diabetiker, die zu hohe Zuckerwerte aufweisen.
Neben der eigenverantwortlichen Verwendung von Vitamin B1-Präparaten, wird Thiamin auch in der Therapie unterschiedlicher Erkrankungen, wie Neuropathien oder kardiovaskulärer Erkrankungen angewendet.
Welche Wechselwirkungen gibt es mit anderen Vitalstoffen?
Einige Nahrungsmittel enthalten Substanzen, die die Aufnahme von Vitamin B1 beeinflussen. So enthält roher Fisch Thiaminasen, also Enzyme, die das Thiamin im Nahrungsbrei spalten und damit zerstören. Auch ein hoher Konsum von Kaffee (auch entkoffeiniert) kann die Thiaminaufnahme reduzieren. Allicin, das in Knoblauch enthalten ist, kann hingegen die Aufnahme von Vitamin B1 fördern.
Besonders im Nervensystem wirkt Thiamin synergistisch mit den Vitaminen B6 und B12.
Fazit
Obwohl Vitamin B1 in den meisten Nahrungsmitteln vorkommt, kann durch eine Malabsorption ein Mangel entstehen. Da das Vitamin eine Schlüsselfunktion im Energiestoffwechsel und der Nervenleitung hat, führt eine Unterversorgung zu Müdigkeit, Leistungsschwäche und Konzentrationsschwierigkeiten. Nahrungsergänzungsmittel mit Thiamin können dem schnell und risikolos entgegenwirken. Sie unterstützen einen gesunden Stoffwechsel, verstärken ihn aber nicht darüber hinaus.
Autor
Dr. rer. nat. Annika Mix
Annika Mix ist promovierte Biologin und Wissenschaftsjournalistin. Nach ihrem Studium an der Ruhr Universität Bochum arbeitete sie einige Jahre in der medizinischen Grundlagenforschung. Mit einer anschließenden journalistischen Weiterbildung erfüllte sich den Wunsch, auf freiberuflicher Basis Wissen aus dem Bereich von Gesundheit und Forschung alltagsnah zu vermitteln.
http://www.anysci.de/
Quellen
Aue (2007) Basiswissen Ernährung. DAZ 2007, Nr. 1, S. 58
Calderón‐Ospina & Nava‐Mesa (2019) B Vitamins in the nervous system: Current knowledge of the biochemical modes of action and synergies of thiamine, pyridoxine, and cobalamin. CNS Volume26, Issue1, Pages 5-13. https://doi.org/10.1111/cns.13207
DiNicolantonio et al. (2018) Thiamine and Cardiovascular Disease: A Literature Review. Progress in Cardiovascular Diseases. Volume 61, Issue 1, May–June 2018, Pages 27-32