Essentielle Aminosäuren
Essentielle Aminosäuren sind solche, die der Körper ausschließlich aus der Nahrung beziehen muss und nicht selbst herstellen kann. Dabei werden sie nicht einzeln, sondern mit vielen anderen Aminosäuren aufgenommen, die zu unterschiedlichen Proteinen zusammengebaut sind. Von den 21 Aminosäuren, die der menschliche Körper zum eigenen Proteinaufbau benötigt, sind folgende essentiell:
- Histidin
- Isoleucin
- Leucin
- Lysin
- Methionin
- Phenylalanin
- Threonin
- Tryptophan
- Valin
Histidin spielt in dieser Auflistung eine Sonderrolle, da es nur im Säuglingsalter sicher essentiell ist. Bei Erwachsenen ist Histidin möglicherweise als semi-essentiell einzustufen. Da die Einstufung aber unklar ist, wird Histidin an dieser Stelle mit aufgeführt.
Essentielle Aminosäuren werden gemeinsam mit anderen Aminosäuren in Form von Proteinen aufgenommen. Diese Proteine werden im Zuge der Verdauung in ihre Bausteine, die Aminosäuren, zerlegt und über den Darm resorbiert. Durch eine aktive Aufnahme in die Zellen des Dünndarms gelangen annähernd alle Aminosäuren aus der Nahrung in den Körper. Beim Abbau von Aminosäuren entsteht Ammoniak, das in Form von Harnstoff über die Nieren ausgeschieden wird.
Wofür brauchen wir essentielle Aminosäuren?
Die 9 essentiellen Aminosäuren müssen mit der Nahrung aufgenommen werden und können im Körper zusätzlich in die nicht-essentiellen Aminosäuren umgewandelt werden. Dabei gilt allerdings, dass die 7 semi-essentiellen Aminosäuren aus Eigensynthese in der Regel nicht ausreichen, sondern auch aus der Nahrung aufgenommen werden müssen. Am Ende verfügt der Körper so über alle notwendigen 21 Aminosäuren: Alanin, Arginin, Asparagin, Asparaginsäure, Cystein, Glutamin, Glutaminsäure, Glycin, Histidin, Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Prolin, Selenocystein, Serin, Threonin, Tryptophan, Tyrosin, Valin (Anmerkung: Selenocystein wird je nach Quelle nicht mitgezählt, daher gibt es unterschiedliche Angaben über die Zahl proteinogener Aminosäuren.)
Diese 21 proteinogenen Aminosäuren werden in den Zellen zu völlig unterschiedlichen Proteinen zusammengesetzt. Sie dienen unter anderem dem Aufbau von Zellen und Geweben, als Hormone, als Transportmoleküle, als Enzyme oder zur Immunabwehr. Ihre Aufgaben sind also extrem vielseitig und kaum auf einen Punkt zu bringen. Dabei gilt, dass für die Proteinbiosynthese alle 21 Aminosäuren benötigt werden. Liegt eine einzige Aminosäure in zu geringer Menge vor, wird dadurch auch die Verwendung aller anderen Aminosäuren limitiert.
Trotz der allgemeinen wichtigen Funktion aller Aminosäuren für den Körper soll an dieser Stelle für jede essentielle Aminosäure ein Punkt hervorgehoben werden, wofür sie von besonderer Bedeutung ist.
Histidin
Histidin wird für die Bildung unterschiedlicher Strukturproteine benötigt und spielt daher eine besondere Rolle beim Wachstum. Durch seine Eigenschaft als Elektronenüberträger ist Histidin eine wichtige Aminosäure für die Energiegewinnung in den Mitochondrien. Im Blutfarbstoff Hämoglobin kümmert sich das enthaltene Histidin um die Bindung des Eisen-Komplexes und hat somit eine wichtige Funktion zur Aufrechterhaltung des gesamten Stoffwechsels. Histidin dient außerdem als Ausgangsstoff für unterschiedliche nicht-essentielle Aminosäuren oder biogene Amine, wie dem Botenstoff Histamin.
Isoleucin
Isoleucin spielt eine wichtige Rolle für den Aufbau und die Regeneration von Muskeln. Nach der Nahrungsaufnahme wird es rasch zu einem Großteil zu den Muskelzellen transportiert. Hier wird es für die Synthese von Aktin und Myosin, den sogenannten kontraktilen Proteinen, benötigt. Im Notfall kann der Körper aus dem Abbau dieser Muskelproteine Energie gewinnen, doch bevorzugt er Kohlenhydrate und Fette. Erst bei ausgeprägtem Nahrungsmangel wird Muskelmasse abgebaut, um daraus Energie für die Lebenserhaltung zu beziehen. Es handelt sich also bei der Muskulatur nicht nur um einen Speicher für Kraft, sondern auch um einen Notfallspeicher für Energie.
Eine weitere Funktion von Isoleucin ist die Stimulierung der Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse. Durch das Insulin kann ebenfalls Glukose schneller in die Muskelzellen gelangen und die Energieversorgung für den Muskelaufbau sichern.
Leucin
Die verzweigtkettige Aminosäure Leucin stimuliert die Proteinsynthese insbesondere in der Muskulatur und der Leber. Gleichzeitig hemmt sie den Abbau von Muskeleiweiß und steigert dadurch zusätzlich den Aufbau von Muskelmasse. Ebenso wie Isoleucin fördert auch Leucin die Ausschüttung von Insulin und erhöht dadurch die Energieversorgung der Muskelzellen. Insgesamt ist Leucin wohl eine der wichtigsten Aminosäuren für den Aufbau und die Regeneration der Muskulatur.
Lysin
Lysin wird für zahlreiche unterschiedliche Proteine benötigt, die ohne diese essentielle Aminosäure gar nicht erst vom Körper hergestellt werden könnten. Hierzu gehört zum Beispiel das Strukturprotein Kollagen. Kollagen spielt eine wichtige Rolle in der mechanischen Stabilisierung von Bindegewebe, Knorpel oder Sehnen. Auch Transportproteine, Hormone, Antikörper oder Gerinnungsfaktoren benötigen zwingend Lysin als Baustein und können ohne es nicht gebildet werden.
Einige Schmerzmittel enthalten zusätzlich Lysin. In dieser Kombination unterstützt die Aminosäure eine schnellere Aufnahme des jeweiligen schmerzlindernden Wirkstoffs, sodass die Beschwerden schneller verschwinden.
Methionin
Methionin spielt eine Schlüsselrolle in zahlreichen biochemischen Prozessen, bei denen Methylgruppen (CH3) übertragen werden. Diese finden sich bei der Bildung unterschiedlichster Stoffwechselprodukte. Hierzu gehören zum Beispiel die Hormonen Adrenalin und Melatonin, das Transportmolekül Carnitin oder RNA. Methionin ist außerdem die grundlegende Aminosäure für die Proteinbiosynthese, denn jedes menschliche Gen beginnt mit dem sogenannten Startcodon. Dieses enthält immer die Information für den Einbau von Methionin. Zwar wird diese Aminosäure im Fertigungsprozess der Proteine nachträglich oftmals wieder entfernt, dennoch muss Methionin für jedes beliebige hergestellte Protein zunächst einmal da sein. Zusätzlich zu diesen aufbauenden Funktionen wirkt Methionin antioxidativ und hemmt die Einlagerung von Fetten in der Leber. Beim Abbau von Methionin entsteht das für den Körper bedenkliche Homocystein. Bei einem lang anhaltenden hohen Serumspiegel von Homocystein erhöht sich das Risiko für unterschiedliche vaskuläre Erkrankungen.
Phenylalanin
Phenylalanin kann in der Leber in die semi-essentielle Aminosäure Tyrosin umgewandelt werden. Diese Umwandlung ist allerdings störungsanfällig und insbesondere bei chronischem Stress stark eingeschränkt. Zusätzlich wird Phenylalanin für den Aufbau unterschiedlicher Katecholamine, wie Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin benötigt. Auch eine Reihe an Strukturproteinen verwenden Phenylalanin in ihrem Bauplan.
Threonin
Threonin ist ein wichtiger Baustein für Strukturproteine und wird unter anderem für die Bildung von Kollagen benötigt. Auch Immunglobuline, zu denen Antikörper gehören, enthalten vergleichsweise große Mengen an Threonin. Die Verwertung dieser Aminosäure hängt teilweise von den Vitaminen B3 und B6 ab. Ein Mangel könnte somit zu Versorgungsengpässen mit Aminosäuren führen.
Tryptophan
Tryptophan dient als Vorläufer für den Neurotransmitter Serotonin, der auch als „Glücksbotenstoff“ bekannt ist. Hierfür muss Tryptophan durch die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn gelangen. Um den Konkurrenzdruck mit anderen Aminosäuren im Gehirn zu reduzieren, stimuliert auch Tryptophan den Insulinspiegel. Dadurch werden die verzweigtkettigen Aminosäuren Isoleucin, Leucin und Valin vermehrt in die Muskelzellen aufgenommen. Auf diese Weise wird der Anteil von Tyrosin im Gehirn quasi passiv erhöht. Neben dieser wichtigen Funktion für das Nervensystem dient Tryptophan auch der Versorgung mit Vitamin B3 (Niacin), denn die Aminosäure kann in geringem Umfang in das Vitamin umgewandelt werden. Zwar kann auf diesem Weg der Bedarf an Niacin nicht vollständig gedeckt werden, doch wird zumindest ein schwerer Mangel des wichtigen Vitamins so vorgebeugt.
Valin
Wie Isoleucin und Leucin gehört auch Valin zu den verzweigtkettigen Aminosäuren und spielt als solche eine besondere Rolle im Aufbau und der Regeneration der Muskulatur. Gemeinsam sorgen diese 3 Aminosäuren für die Bildung und den Erhalt von Muskelmasse und sichern somit gleichermaßen eine wichtige Energiereserve für Notfälle. Auch im Nervensystem spielt Valin eine tragende Rolle bei der Bildung unterschiedlicher Neurotransmitter.
Wo sind essentielle Aminosäuren enthalten?
Aminosäuren werden nicht einzeln und separat mit der Nahrung aufgenommen, sondern in Form von Proteinen. Proteinreiche Nahrungsmittel sind in erster Linie Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkornprodukte. Auch wenn häufig insbesondere Fleisch als Proteinquelle genannt wird, so kann auch bei vegetarischer oder veganer Ernährung der Proteinbedarf problemlos mit der Ernährung gedeckt werden. Dabei gilt allerdings zu beachten, dass Fleisch allein alle wichtigen Aminosäuren enthält, Hülsenfrüchte, Nüsse oder Getreide für sich betrachtet allerdings nicht. Bei einer fleischlosen Ernährung ist es daher wichtig, die verschiedenen pflanzlichen Nahrungsmittel vielfältig zu kombinieren, um das gesamte Spektrum an Aminosäuren abzudecken.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DEG) empfiehlt für Erwachsene eine tägliche Proteinaufnahme von etwa 0,8 g pro kg Körpergewicht. Das entspricht 64 g Protein pro Tag für einen 80 kg schweren Menschen. Personen über 65 rät die DEG zu einer Erhöhung der täglichen Proteinaufnahme. Laut nationaler Verzehrsstudie aus dem Jahr 2008 nimmt der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung erheblich mehr Protein zu sich. Die Wissenschaftler führen dies in erster Linie auf den hohen Konsum von Fleisch- und Wurstwaren zurück. Nur schätzungsweise 11% der Männer und 15% der Frauen liegen mit ihrer Ernährungsweise unterhalb der empfohlenen Tagesmenge.
Zehn Quellen für essentielle Aminosäuren sind:
- Fleisch, Fisch, Wurstwaren
- Ei
- Quark
- Käase
- Erbsen
- Linsen
- Kichererbsen
- Bohnen
- Vollkorn
- Nüsse
Was passiert bei einem Mangel an essentiellen Aminosäuren?
Ein Mangel an einzelnen essentiellen Aminosäuren kommt in der Regel nicht vor. Vielmehr kann eine allgemeine Unterversorgung mit Proteinen vorliegen. Letztlich entsteht dadurch ein Mangel aller Aminosäuren, wobei die seltenste den limitierenden Faktor für die Neubildung von körpereigenen Proteinen darstellt.
Ein ernährungsbedingter Proteinmangel tritt in Deutschland selten auf und ist allgemein eher mit einer Unterernährung (z. B. Magersucht) assoziiert. In einem solchen Fall baut der Körper zunächst Muskelmasse ab und versorgt sich auf diese Weise nicht nur mit Energie, sondern auch mit Aminosäuren. Ein solcher Zustand kann schnell kritisch werden, insbesondere, wenn der Betreffende bereits geschwächt ist, z. B. durch ein hohes Alter.
Neben der Ernährung können auch unterschiedliche Erkrankungen eine Unterversorgung mit essentiellen Aminosäuren zur Folge haben. Hierzu gehören:
- chronische Darmentzündungen (→ gehemmte Aufnahme von Aminosäuren)
- Schwäche der Bauchspeicheldrüse (→ weniger Verdauungsenzyme zur Proteinspaltung)
- Erkrankungen der Niere (→ erhöhte Ausscheidung von Proteinen)
Die Symptome eines Eiweißmangels sind aufgrund der vielfältigen Funktionen im Körper sehr breit gestreut. Typisch ist allerdings ein Gewichtsverlust, da der Körper als ersten Gegenschritt Muskelproteine abbaut. Dieser Abbau geht einher mit einem Leistungsabfall und körperlicher Schwäche. Besteht darüber hinaus ein Mangel, können außerdem folgende Symptome beobachtet werden:
- starke Müdigkeit
- Infektanfälligkeit
- Wundheilungsstörung
- Haarausfall
- Hungerattacken
- Wassereinlagerungen
Was passiert bei einer Überversorgung mit essentiellen Aminosäuren?
Ein gesunder Mensch, der sich normal ernährt, kann Proteine kaum in gesundheitsschädigender Menge aufnehmen. Anders sieht es allerdings aus, wenn zusätzlich spezielle Proteinpräparate eingenommen werden. Eine Überversorgung mit Proteinen beansprucht die Leber und die Nieren stark und kann bei den Organen langfristig Ermüdungserscheinungen hervorrufen. Aus diesem Grunde sollten Menschen mit bereits bestehenden Erkrankungen von Leber oder Niere sich grundsätzlich mit weniger Proteinen ernähren, um keine weitere Belastung zu erzeugen. Eine zusätzliche Einnahme sollte in diesem Falle mit dem Arzt abgesprochen werden.
Beim Abbau von Aminosäuren im Körper entsteht Ammoniak, das über die Nieren in Form von Harnstoff ausgeschieden werden muss. Steigen die Blutwerte von Ammoniak zu hoch, schädigt es insbesondere das Gehirn. Bei einer Überversorgung mit Aminosäuren besteht die Möglichkeit, dass die Nieren nicht mit dem vermehrten Abbau mithalten können und der Blutammoniak-Spiegel zu hoch steigt. Diese Gefahr sieht das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) insbesondere bei der zusätzlichen Einnahme der verzweigtkettigen Aminosäuren Isoleucin, Leucin und Valin, wie sie bei (Kraft-)Sportlern vermehrt vorgenommen wird. Hieraus entwickelten sie eine Empfehlung für eine maximale Tagesdosis:
Leucin: 4,0 Gramm pro Tag
Isoleucin: 2,2 Gramm pro Tag
Valin: 2,0 Gramm pro Tag
Diese Angaben beziehen sich auf einen Erwachsenen und gelten als zusätzliche Aufnahme neben der Ernährungsempfehlung der DGE.
Wann ist eine Substitution von essentiellen Aminosäuren ratsam?
Der allgemeine Proteinbedarf ist bei einigen Menschen aus unterschiedlichen Gründen erhöht. So benötigen Sportler, Stillende oder ältere Menschen mehr Proteine, weswegen die DGE für diese Gruppe auch eine erhöhte tägliche Proteinaufnahme empfiehlt (1,0 – 1,2 g pro kg Körpergewicht). Die Verbraucherzentrale weist allerdings darauf hin, dass dieser erhöhte Bedarf sehr gut über eine ausgewogene Ernährung gedeckt werden kann und eine Substitution einzelner oder gar aller Aminosäuren in der Regel nicht notwendig ist. Anders sieht es bei Menschen aus, die unter oben genannten Erkrankungen leiden. Hier gilt es unter Rücksprache mit dem behandelnden Arzt die Ernährung anzupassen oder gegebenenfalls auch breit gefächert Aminosäuren zu substituieren.
Es gibt aber auch Situationen, in denen die Zufuhr einzelner essentieller Aminosäuren oder kleiner Aminosäuregruppen die Gesundheit oder das Wohlbefinden steigern kann. Zum Beispiel:
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Verzweigtkettige Aminosäuren (Isoleucin, Leucin und Valin)
Etwa ab einem Alter von 65 Jahren nimmt die körpereigene Produktion von Proteinen kontinuierlich ab. Im Zuge dessen kommt es zu einem schleichenden Abbau der Muskulatur, der mit zunehmender Schwäche und Gebrechlichkeit einhergeht. Durch eine erhöhte Proteinzufuhr über die Ernährung kann diesem Effekt entgegengewirkt werden. Allerdings klagen ältere Menschen häufig über mangelnden Appetit oder haben aus unterschiedlichen Gründen Probleme mit der Ernährung. In einem solchen Fall können zusätzliche Aminosäuren eine Lösung sein. Studien konnten zeigen, dass die zusätzliche Gabe von verzweigtkettigen Aminosäuren bei älteren Menschen den Muskelabbau zumindest aufhält, häufig sogar umkehrt. Dies korrelierte mit einem Kraftzuwachs, einer verbesserten Körperstabilität und einer Reduktion von folgenschweren Stürzen bei Menschen über 75 Jahren. In dieser Altersgruppe haben zusätzlich zugeführte essentielle Aminosäuren somit das Potential, die Lebensqualität deutlich zu verbessern.
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Tryptophan
Tryptophan als einzelne Ergänzung wird häufig mit stimmungsaufhellender Wirkung oder als mildes Antidepressivum beworben. Für den Beleg dieser Wirkung fehlen allerdings schlüssige Studien. Klar ist, dass aus Tryptophan der wichtige Neurotransmitter Serotonin hervorgeht. Und es ist auch klar, dass bei Menschen mit Depressionen in den meisten Fällen eine zu niedrige serotoninvermittelte Aktivität im Gehirn stattfindet. Allerdings ist die Vermutung, dass mehr Tryptophan zu mehr Serotonin und zu weniger Depression führt, viel zu einfach gedacht. Die beteiligten biochemischen Abläufe sind hochgradig komplex und Störungen haben eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen. Es mag sein, dass Tryptophan im Einzellfall stimmungsaufhellend wirken kann, doch eine komplexe psychische Erkrankung kann mit der Aminosäure allein wohl kaum behandelt werden. Dennoch besteht ein Zusammenhang, der weiter erforscht werden sollte. Eine Studie aus dem Juni 2021 diskutiert zum Beispiel über einen möglichen Zusammenhang zwischen Morbus Crohn und einer häufig gleichzeitig auftretenden Depression dadurch, dass bei der Darmerkrankung die Verwertung von Tryptophan massiv gestört ist.
Welche Wechselwirkungen gibt es mit anderen Vitalstoffen?
Die Vitamine B3 und B6 sind in die Verwertung von Threonin involviert. Bei einem Mangel dieser Vitamine könnte dadurch ein Engpass bei dieser essentiellen Aminosäure entstehen.
Vitamin B3 und B6 sind in Verwertung von Threonin involviert → Vitaminmangel → weniger Threonin
Tryptophan zum Teil in B3 umgewandelt
Fazit
Essentielle Aminosäuren haben vielfältige Aufgaben für den Körper. Aus ihnen werden in den Zellen Proteine zusammengesetzt, die der Struktur oder Funktionalität dienen. Da Aminosäuren selbst in Form von tierischen oder pflanzlichen Proteinen aufgenommen werden, gelangen sie stets als Mischung in unseren Körper. Bei einer ausgewogenen Ernährung kann der Bedarf an essentiellen Aminosäuren sehr gut über die Nahrung abgedeckt werden. Ein allgemeiner Proteinmangel tritt selten auf, stellt aber insbesondere für ältere Menschen ein Problem dar. Bei einem Mangel an Aminosäuren werden Muskelproteine abgebaut, um die lebensnotwendigen Abläufe mit Aminosäuren und Energie zu versorgen. Insgesamt kann es unter verschiedenen Umständen möglich sein, durch eine allgemein erhöhte Proteinzufuhr oder der gezielten Ergänzung mit einzelnen essentiellen Aminosäuren Gesundheit und Wohlbefinden zu verbessern.
Autor
Dr. rer. nat. Annika Mix
Annika Mix ist promovierte Biologin und Wissenschaftsjournalistin. Nach ihrem Studium an der Ruhr Universität Bochum arbeitete sie einige Jahre in der medizinischen Grundlagenforschung. Mit einer anschließenden journalistischen Weiterbildung erfüllte sich den Wunsch, auf freiberuflicher Basis Wissen aus dem Bereich von Gesundheit und Forschung alltagsnah zu vermitteln.
http://www.anysci.de/
Quellen
Max Rubner-Institut & Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (2008) Nationale Verzehrsstudie II – Ergebnisbericht https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/NVS_ErgebnisberichtTeil2.pdf;jsessionid=DB58C395EEF2FE27EB57BCC40BD33A0B.internet2842?__blob=publicationFile&v=2
Bundesinstitut für Risikobewertung (2019): Nahrungsergänzungsmittel – Isolierte verzweigtkettige Aminosäuren können bei hoher Aufnahme die Gesundheit beeinträchtigen.
Verbraucherzentrale (2020): Aminosäuren für Freizeitsportler – besser als ein kleines Steak?
Komar, B et al. (2015) Effects of leucine-rich protein supplements on anthropometric parameter and muscle strength in the elderly: A systematic review and meta-analysis. The journal of nutrition, health & aging volume 19, pages437–446.
https://link.springer.com/article/10.1007/s12603-014-0559-4
Misra, D (2011) Does Dietary Protein Reduce Hip Fracture Risk in Elders? The Framingham Osteoporosis Study. Osteoporos Int. 2011 Jan; 22(1): 345–349.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2950889/
Chen, LM (2021) Tryptophan-kynurenine metabolism: a link between the gut and brain for depression in inflammatory bowel disease. J Neuroinflammation. 2021; 18: 135.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8204445/