Folsäure (Vitamin B9)
Folsäure, die selten auch als Vitamin B9 bezeichnet wird, gehört zu den wasserlöslichen Vitaminen des B-Komplexes. Der Name stammt von dem lateinischen Begriff „folium“ (Blatt) und führt darauf zurück, dass sie im Jahr 1941 erstmals aus Spinatblättern isoliert werden konnte. Heute ist bekannt, dass in der Natur unterschiedliche, aber sehr ähnliche Verbindungen mit der Wirksamkeit von Folsäure vorkommen. Sie werden unter dem Oberbegriff Folate zusammengefasst.
Folsäure ist für den Stoffwechsel essentiell und muss dem Körper daher regelmäßig zugeführt werden. In der Nahrung liegen Folate zumeist in komplexen Verbindungen vor, die im Zuge des Verdauungsprozesses zunächst gespalten werden müssen. Über einen aktiven Transportmechanismus gelangen sie nun in die Zellen der Mukosa (Darmschleimhaut). Ein geringer Anteil kann außerdem passiv aufgenommen werden. Von hier aus gelangt die aufgenommene Folsäure in den Blutkreislauf und wird im gesamten Körper verteilt. Kleine Mengen können in der Leber gespeichert und bei Bedarf von dort freigesetzt werden. Sollte mit der Nahrung keinerlei Folsäure aufgenommen werden, so reicht dieser Speicher etwa für 3 bis 4 Monate, bis erste Mangelsymptome auftreten.
Wofür brauchen wir Folsäure?
Folsäure erfüllt im Körper coenzymatische und nicht-coenzymatische Funktionen und ist an einer Vielzahl unterschiedlicher Abläufe maßgeblich beteiligt. Die wichtigsten davon sind:
Zellteilung und Wachstum
Folsäure wird als Coenzym für die Herstellung von DNA- und RNA-Molekülen zwingend benötigt und ist damit für die Zellteilung und das Wachstum unerlässlich. Aus diesem Grunde ist Folsäure eines der wichtigsten Vitamine in der Schwangerschaft. Das Vitamin wird nicht nur für das im Bauch wachsende Baby benötigt. Auch bei der werdenden Mutter selbst ist der Bedarf unter anderem durch die wachsende Plazenta oder das größere Blutvolumen erhöht. Aber auch jenseits einer Schwangerschaft wird Folsäure insbesondere in Geweben benötigt, in denen Zellteilung in hoher Frequenz stattfindet (z. B. Knochenmark oder Schleimhäute).
Abbau von Homocystein
Homocystein ist eine Aminosäure, die natürlicherweise im Stoffwechsel anfällt. In hohen Konzentrationen kann sie langfristig das Risiko für vaskuläre Erkrankungen erhöhen. In einer von Folsäure abhängigen Reaktion kann Homocystein in die essentielle Aminosäure Methionin umgewandelt werden. Ein zweiter Weg für diese Umwandlung ist abhängig von Vitamin B12. Der Abbau von Homocystein ist abhängig von Vitamin B6. Bei Menschen mit einem erhöhten Homocysteinspiegel wird ein Kombipräparat aus allen dreien Vitaminen gegeben, um ihn zu senken.
Synthese wichtiger Substanzen
Folsäure ist an einer ganzen Reihe unterschiedlicher Stoffwechselreaktionen beteiligt, die der Synthese verschiedener Substanzen dienen. Folgende Verbindungen sind in ihrer Herstellung abhängig von Folsäure:
- Hämoglobin
- Glutamat und GABA (Neurotransmitter im zentralen Nervensystem)
- unterschiedliche Phospholipide (wichtige Grundsubstanz für alle Zellmembranen)
- Melatonin (Hormon für den Tag-Nacht-Rhythmus)
Wo ist Folsäure enthalten?
Folate sind in der Natur weit verbreitet und kommen in den meisten Lebensmitteln vor. Insbesondere in Hülsenfrüchten und Blattgemüse ist der Anteil besonders hoch. Fleisch enthält vergleichsweise wenig Folate, doch liegen sie hier in einer Form vor, die vom Körper besser aufgenommen werden kann. Insgesamt kann die genaue Aufnahmerate nur grob geschätzt werden, da die Resorbierbarkeit zum Teil sehr unterschiedlich ist. Während synthetische Folsäure fast vollständig aufgenommen werden kann, liegt die Aufnahmerate bei einigen Folaten bei unter 50 Prozent.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für Erwachsene eine tägliche Aufnahme von etwa 300 µg Folaten. Bei Schwangeren und Stillenden steigt die empfohlene Tagesmenge auf 550 bzw. 450 µg. Laut den Ergebnissen der Nationalen Verzehrsstudie aus dem Jahr 2008 nehmen die Deutschen durchschnittlich deutlich zu wenig Folsäure auf. Laut dieser Erhebung erreichen 79 Prozent der Männer und 86 Prozent der Frauen die empfohlene tägliche Menge nicht.
Zehn gute Folsäure Quellen sind:
- Kichererbsen
- Bohnen
- Grünkohl
- Rosenkohl
- Spinat
- Feldsalat
- Leber
- Blumenkohl
- Nüsse
- Spargel
Was passiert bei einem Mangel an Folsäure?
Neben der unzureichenden Aufnahme über die Nahrung können auch Alkoholismus, chronische Darmentzündungen oder Leberschäden zu einer Unterversorgung mit Folsäure führen. Zusätzlich steigt bei Frauen der Bedarf nicht nur während einer Schwangerschaft, sondern auch bei Einnahme von empfängnisverhütenden Mitteln.
Aufgrund der Speichermöglichkeiten von Folsäure kann der Plasmaspiegel des Vitamins ohne weitere Aufnahme für etwa 3 bis 4 Wochen auf einem ausreichend hohen Level gehalten werden. Erst danach sinkt er langsam ab und es kommt nach weiteren 8 Wochen zu ersten Mangelerscheinungen. Da bei einer Unterversorgung mit Folsäure besonders die hohe Zellteilungsrate im Knochenmark eingeschränkt ist, kommt es in erster Linie zu Auswirkungen auf das Blutbild, die bei einem starkem Mangel bis hin zu einer Anämie führen. Ebenso zeigen sich Störungen der Schleimhäute und ein erhöhter Homocysteinspiegel.
Spürbare Symptome eines Folsäure-Mangels sind:
- Müdigkeit
- Konzentrationsschwäche
- Reizungen im Mundraum
- Reizbarkeit
Eine besondere Situation stellt ein Folsäuremangel während einer Schwangerschaft dar. Während der Embryonalentwicklung kann ein Mangel an diesem Vitamin zu schweren Fehlbildungen (Neuralrohrdefekt) führen. Auch gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen einer Unterversorgung mit Folsäure und einer verfrühten Geburt.
Was passiert bei einer Überversorgung mit Folsäure?
Eine Überversorgung mit Folsäure ist nicht unproblematisch. Einige Studien haben sich mit den Effekten einer lang anhaltenden hohen Substitution auf das Krebsrisiko befasst. Ein möglicher Zusammenhang ist naheliegend, weil Tumore eine hohe Zellteilungsrate aufweisen. Die Studien kamen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Einige zeigten ein erhöhtes Risiko, andere ein reduziertes und einige gar keinen Effekt. Hier bedarf es weiterer Untersuchungen.
Ein anderes Problem einer Überversorgung mit Folsäure ist, dass ein möglicher Mangel an Vitamin B12 lange unerkannt bleibt. Eine Anämie, die aufgrund eines Vitamin-B12-Mangels auftritt, kann mit einem erhöhten Folsäurespiegel kompensiert werden. Doch die neurologischen Folgen treten trotzdem auf und führen zu teils irreparablen Schäden. Von einem B12-Mangel sind häufig ältere Personen betroffen, sodass die vermeidbaren Mangelsymptome leicht mit Alterungserscheinungen verwechselt werden können.
Aufgrund der genannten Problematik hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eine Höchstmenge für die tägliche Aufnahme von synthetischer Folsäure in Form von Nahrungsergänzungsmitteln festgelegt. Sie liegt für gesunde Erwachsene bei 200 µg und für Schwangere bei 400 µg.
Wann ist eine Substitution von Folsäure ratsam?
Das BfR rät eindringlich zur Substitution von Folsäure bei einer Schwangerschaft, um das Risiko eines Neuralrohrdefekts beim Kind zu reduzieren. Die Einnahme sollte idealerweise schon vor der tatsächlichen Schwangerschaft beginnen, damit zum Zeitpunkt der erfolgreichen Befruchtung die Folsäure-Speicher gefüllt sind.
Des Weiteren ist bei folgenden Personen eine Substitution ratsam:
- alkoholkranke Menschen
- Frauen, die die Pille zur Empfängnisverhütung verwenden
- Menschen, die Antikonvulsiva (Medikament gegen Epilepsie) einnehmen
- Patienten mit chronischen Darmerkrankungen
- Menschen, die sich sehr folsäurearm Ernähren
- Menschen mit einem hohen Homocysteinspiegel
Die Verbraucherzentrale betont, dass zwar ein Großteil der deutschen Bevölkerung weniger Folsäure aufnimmt, als empfohlen wird, dennoch sei ein tatsächlicher flächendeckender Mangel bisher nicht nachgewiesen. Eine längerfristige Einnahme von hochdosierter Folsäure solle in Absprache mit dem behandelnden Hausarzt erfolgen.
Welche Wechselwirkungen gibt es mit anderen Vitalstoffen?
Folsäure reduziert gemeinsam mit den Vitaminen B6 und B12 den Homocysteinspiegel und wird in Kombination therapeutisch verabreicht, um die Menge der kritischen Aminosäure zu reduzieren.
Insbesondere in der Auswirkung auf ein gesundes Blutbild wirkt Folsäure synergistisch mit Vitamin B12. Da ein Mangel an Vitamin B12 jedoch schwerwiegende Folgen für das Nervensystem haben kann, muss bei der Sublimierung von Folsäure (insbesondere bei hohen therapeutischen Dosen) ein Vitamin-B12-Mangel ausgeschlossen sein.
Fazit
Folsäure ist für eine normale Zellteilung, ein gesundes Blutbild und einen normal regulierten Homocysteinspiegel notwendig. In größeren Mengen kommt sie hauptsächlich in Hülsenfrüchten und Blattgemüse vor. Obwohl bei Erhebungen festgestellt wurde, dass die Deutschen im Durchschnitt mit ihrer Aufnahme an Folsäure unter der empfohlenen Tagesmenge liegen, ist ein tatsächlicher flächendeckender Mangel nicht festzustellen. Insbesondere Schwangeren wird allerdings dringend empfohlen, zusätzliche Folsäure einzunehmen, um das Risiko von Fehlbildungen bei dem Säugling zu reduzieren. Andere Menschen können kleinere Dosen sublimieren, wenn ein Mangel vorliegt oder zu erwarten ist. Da eine Überversorgung allerdings nicht unkritisch ist, gibt es eine Obergrenze für die externe Aufnahme, die ohne Rücksprache mit einem Arzt nicht überschritten werden sollte.
Autor
Dr. rer. nat. Annika Mix
Annika Mix ist promovierte Biologin und Wissenschaftsjournalistin. Nach ihrem Studium an der Ruhr Universität Bochum arbeitete sie einige Jahre in der medizinischen Grundlagenforschung. Mit einer anschließenden journalistischen Weiterbildung erfüllte sich den Wunsch, auf freiberuflicher Basis Wissen aus dem Bereich von Gesundheit und Forschung alltagsnah zu vermitteln.
http://www.anysci.de/
Quellen
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Folat – Empfohlene Zufuhr
https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/folat/?L=0
Max Rubner-Institut & Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (2008) Nationale Verzehrsstudie II – Ergebnisbericht https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/NVS_ErgebnisberichtTeil2.pdf;jsessionid=DB58C395EEF2FE27EB57BCC40BD33A0B.internet2842?__blob=publicationFile&v=2
Bundesinsitut für Risikobewertung (BfR) (2021): Höchstmengenvorschläge für Folsäure in Lebensmitteln inklusive Nahrungsergänzungsmitteln
Pieroth et al. (2018): Folate and Its Impact on Cancer Risk. Curr Nutr Rep. 2018; 7(3): 70–84.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6132377/
Verbraucherzentrale (2021): Folsäure-Produkte – wann sind sie nützlich?