Vitamin B12 (Cobalamin)
Vitamin B12, das auch Cobalamin genannt wird, ist das einzige wasserlösliche Vitamin, das über eine längere Zeit im Körper gespeichert wird. Diese Speicherung erlaubt auf der einen Seite eine stetige Versorgung, ist aber tückisch, wenn ein Mangel besteht. Dieser macht sich unter Umständen nämlich erst nach Jahren bemerkbar.
Nur wenige Mikroorganismen sind in der Lage, Vitamin B12 zu produzieren. Sie leben in der Darmflora von Mensch und Tier und können bei reinen Pflanzenfressern den Bedarf decken. Fleischfressende Tiere, zu denen natürlicherweise auch der Mensch zählt, müssen ihren Bedarf wiederum durch den Verzehr von Pflanzenfressern decken. Tatsächlich kann der Mensch das im Dickdarm gebildete Vitamin B12 annähernd gar nicht nutzen und ist auf eine komplette Zufuhr von außen angewiesen.
In der Nahrung liegt Cobalamin an Protein gebunden vor und wird im Zuge des Verdauungsprozesses davon abgespalten. Anstelle dessen bindet es an ein spezifisches Glykoprotein (Intrinsic Factor, IF), das von den Zellen der Magenschleimhaut extra zu diesem Zwecke freigesetzt wird. Dieser Komplex wird anschließend aktiv in die Dünndarmschleimhaut transportiert. Neben diesem aktiven Transport kann bei hohen Konzentrationen in der Nahrung Vitamin B12 zusätzlich aus dem Darm in die Zellen diffundieren.
Von hier aus gelangt Cobalamin in den Blutkreislauf. Ein Überschuss wird zu etwa 60 Prozent in der Leber und 30 Prozent in der Muskulatur gespeichert. Die übrigen 10 Prozent entfallen auf andere Organe und Gewebe. Das im Körper gespeicherte Vitamin B12 genügt, um den Bedarf von etwa 3 Jahren zu decken.
Wofür brauchen wir Vitamin B12?
Vitamin B12 agiert im Körper als Coenzym und ist an einigen grundlegenden und sehr komplexen Stoffwechselfunktionen beteiligt. Seine wichtigsten Funktionen sind die Folgenden:
Energieversorgung
Vitamin B12 wird für den Citratzyklus benötigt, der in den Mitochondrien jeder einzelnen Zelle stattfindet und der Energiegewinnung dient. Die Zellen benötigen diese Energie für ihre Stoffwechselaktivität. Insbesondere in Nerven- oder Muskelzellen ist sie grundsätzlich sehr hoch, weswegen hier besonders viel Energie bereitgestellt werden muss.
Die Aufgabe des Vitamins besteht darin, unterschiedliche Substanzen für diesen komplexen Vorgang zur Verfügung zu stellen. Ein wichtiges Zwischenprodukt ist Methylmalonsäure (MMS). Sie wird mithilfe von Vitamin B12 weiterverarbeitet. Ein Anstieg des MMS-Spiegels im Blutplasma ist ein sicherer Beleg für einen Vitamin-B12-Mangel.
Zellteilung und Zellaktivität
Vitamin B12 katalysiert Reaktionen zur Bereitstellung verschiedener Nukleinbasen. Diese wiederum werden im Folgenden verwendet, um DNA oder RNA Moleküle aufzubauen. Neue DNA wird immer dann benötigt, wenn Zellen sich teilen. Besonders Gewebe mit einer hohen Zellteilungsrate sind daher auf eine anhaltende Versorgung mit Nukleinbasen angewiesen. Hierzu gehört zum Beispiel das Knochenmark, in dem fortlaufend neue Blutzellen gebildet werden. RNA wird nicht unbedingt bei der Zellteilung benötigt, sondern eher bei der grundsätzlichen Stoffwechselaktivität einer Zelle. Besonders aktive Zellen finden sich unter anderem im Nervensystem und den Muskeln.
Bildung von Methionin – Reduktion vom Homocystein
Methionin ist eine essentielle Aminosäure, die unter anderem mithilfe von Vitamin B12 aus Homocystein hergestellt wird. Bei diesem Stoffwechselschritt erfüllt Vitamin B12 zwei wichtige Aufgaben gleichzeitig. Zum einen stellt es dem Körper Methionin zur Verfügung, zum anderen reduziert es den Homocysteinspiegel. Dieses Stoffwechselzwischenprodukt erhöht bei anhaltend hoher Konzentration das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Augenerkrankungen und Demenz. Vitamin B6, B12 und Folsäure können auf teilweise unterschiedlichen Wegen einen erhöhten Homocysteinspiegel senken.
Wo ist Vitamin B12 enthalten?
Wie bereits zu Beginn erläutert, ist Vitamin B12 ausschließlich in tierischen Lebensmitteln enthalten. Die größten Mengen finden sich in der Leber, aber auch Muskelfleisch und Fisch enthalten reichlich Vitamin B12. Fleisch- und Fischerzeugnisse, Wurstwaren, Milchprodukte und Eier sind somit die einzigen nennenswerten Vitamin-B12-Quellen. Für Vegetarier, die außreichend Milchprodukte und Eier verzehren, ist eine gute Versorgung mit Vitamin B12 gegeben. Bei einer streng veganen Ernährungsform muss Vitamin B12 zwingend als Nahrungsergänzung eingenommen werden, um einen Mangel zu vermeiden.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DEG) empfiehlt für Erwachsene eine tägliche Aufnahme von durchschnittlich 4 bis 5 µg Vitamin B12. Diese Menge würde bereits mit einem Glas Milch erreicht. Durch die guten Speichermöglichkeiten ist tatsächlich keine tägliche Aufnahme nötig. Es handelt sich viel um einen empfohlenen Durchschnittswert.
Entsprechend ist in Deutschland die Versorgungslage mit Cobalamin sehr gut. Laut Nationaler Verzehrsstudie aus dem Jahr 2008 nehmen besonders Männer aller Altersstufen im Durchschnitt fast das Doppelte der empfohlenen Menge an Vitamin B12 auf. Bei Frauen liegt die durchschnittliche Aufnahme niedriger, aber immer noch deutlich über der empfohlenen Tagesmenge.
Nur 8 Prozent der Männer und 26 Prozent der Frauen erreichen die empfohlene Menge nicht über ihre Ernährung. Dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern ist nicht verwunderlich, da sich deutlich mehr Frauen als Männer vegetarisch oder sogar vegan ernähren.
Zehn gute Vitamin B12 Quellen sind:
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Leber -
Filet -
Schnitzel -
Muscheln -
Makrele -
Hering -
Seelachs -
Camembert -
Eier -
Milch
Was passiert bei einem Mangel Vitamin B12?
Ein Mangel an Vitamin B12 kann nicht nur bei einer veganen Ernährung entstehen. Auch verschiedene Krankheiten können eine Malabsorption hervorrufen. Das bedeutet, dass das Vitamin trotz genügender Menge in der Nahrung nicht aufgenommen werden kann. Hierzu gehören unter anderem:
- chronische Entzündungen des Magen-Darm-Trakts (z.B. Gastritis, Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa)
- unbehandelte Zöliakie
- chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse
- Alkoholismus
Auch einige Medikamente, insbesondere solche gegen Magenübersäuerung (z.B. Protonenpumpenhemmer oder H2-Rezeptorantagonisten) oder Epilepsie (Antikonvulsiva), können einen Vitamin-B12-Mangel unabhängig von der Ernährung begünstigen.
Da eine Unterversorgung mit Vitamin B12 aufgrund der hohen Speicherkapazität schleichend erfolgt, zeigen sich die Symptome eines Mangels oftmals erst nach Jahren. Lange Zeit bleibt er asymptomatisch und unerkannt. Erst wenn die internen Speicher tatsächlich aufgebraucht sind, zeigen sich die Folgen des Mangels:
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- Schwindel
- Appetitlosigkeit
- Muskelschwäche
- Konzentrationsschwäche und Verwirrtheit
- neuropathische Schmerzen
Ein schwerer Vitamin-B12-Mangel führt zu einer Veränderung der roten und weißen Blutkörperchen (Anämie). Dadurch wird nicht nur die Versorgung mit Sauerstoff gestört, auch das Immunsystem ist in seiner Funktion eingeschränkt und es kommt häufiger zu Infektionen. Die Auswirkungen auf das Nervensystem zeigen sich in motorischen Störungen, Koordinationsschwierigkeiten, Demenz und psychischen Problemen. Unbehandelt kann ein Vitamin-B12-Mangel tödlich enden, weil zu viele grundlegende Stoffwechselreaktionen gar nicht oder nur unzureichend stattfinden können.
Zusätzlich zu den direkten Mangelerscheinungen steigert ein durch den Vitamin-B12-Mangel hervorgerufener erhöhter Homocysteinspiegel das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Demenz.
Was passiert bei einer Überversorgung mit Vitamin B12?
Im Grunde kann Vitamin B12 nicht in zu großer Menge vorliegen. Die aktive Aufnahme in die Zellen des Dünndarms ist begrenzt. Nur bei sehr hohen Konzentrationen in der Nahrung, wie sie bei Nahrungsergänzungsmitteln vorliegt, wird dieser aktive Transport durch Diffusion ergänzt. Ein Überschuss im Blut wird, sofern die Speicher gefüllt sind, rasch über die Nieren wieder ausgeschieden.
Wann ist eine Substitution von Vitamin B12 ratsam?
Da eine Überdosierung unproblematisch ist, kann Vitamin B12 in Form von Nahrungsergänzungsmitteln von jedem eingenommen werden, der ein erhöhtes Risiko für einen Mangel hat. Im Idealfall liegt zum Zeitpunkt der Substitution noch keine tatsächliche Unterversorgung vor. Es wäre eine rein vorsorgliche Maßnahme.
In diese Gruppe fallen:
- Veganer (dringend empfohlen!)
- Vegetarier, wenn sie sehr wenig Milchprodukte konsumieren
- Patienten mit oben genannten chronischen Erkrankungen oder ähnlichen Krankheitsbildern
- Patienten, die oben genannte Medikamente regelmäßig und über einen langen Zeitraum einnehmen
- Menschen mit einem erhöhten Homocysteinspiegel
Welche Wechselwirkungen gibt es mit anderen Vitalstoffen?
Eine wichtige Wechselwirkung ist die gemeinsame Reduktion des Homocysteinspiegels von Vitamin B12, B6 und Folsäure. Während Vitamin B6 den reinen Abbau bewirkt, sorgen die Vitamine B12 und Folsäure für eine Umsetzung zu Methionin. Auf diese Weise bedingt Vitamin B12 die Versorgung mit Methionin.
Die Vitamine B1, B6 und B12 wirken im Nervensystem synergistisch und bewirken gemeinsam eine gesunde Funktion von Nerven und Psyche.
Fazit
Vitamin B12 ist für grundlegende Stoffwechselfunktionen von großer Wichtigkeit und ist besonders für das Blut und das Nervensystem von Bedeutung. Da es ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vorkommt, sind insbesonders Veganer von einem Mangel bedroht und sollten Vitamin B12 dringend sublimieren. Aufgrund der allgemein eher fleischreichen Ernährungsweise in den westlichen Ländern ist die Versorgungslage bei uns ansonsten sehr gut, sodass gesunde Erwachsene in der Regel keinen Mangel haben.
Allerdings können unterschiedliche chronischer Erkrankungen und Medikamente zu einem ernährungsunabhängigen Vitamin-B12-Mangel führen. Dieser kann unbehandelt und auf lange Sicht schwerwiegende Folgen haben. Da eine Substitution unproblematisch ist, ist sie vorsorglich ratsam für Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel.
Autor
Dr. rer. nat. Annika Mix
Annika Mix ist promovierte Biologin und Wissenschaftsjournalistin. Nach ihrem Studium an der Ruhr Universität Bochum arbeitete sie einige Jahre in der medizinischen Grundlagenforschung. Mit einer anschließenden journalistischen Weiterbildung erfüllte sich den Wunsch, auf freiberuflicher Basis Wissen aus dem Bereich von Gesundheit und Forschung alltagsnah zu vermitteln.
http://www.anysci.de/
Quellen
Max Rubner-Institut & Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (2008) Nationale Verzehrsstudie II – Ergebnisbericht https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/NVS_ErgebnisberichtTeil2.pdf;jsessionid=DB58C395EEF2FE27EB57BCC40BD33A0B.internet2842?__blob=publicationFile&v=2
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): „Vitamin B12 – Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr“. https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-b12/?L=0
Calderon-Ospina CA, Nava-Mesa MO, Paez-Hurtado AM (2020) Update on Safety Profiles of Vitamins B1, B6, and B12: A Narrative Review. Ther Clin Risk Manag 22;16:1275-1288. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33376337/